Am vergangenen Mittwoch stellte Volker Rudolph vom Fachdienst Naturschutz der Kreisverwaltung einer interessierten Zuhörerschaft (darunter der Krummesser Bürgermeister) in einem kurzweiligen Vortrag die Bedeutung von Straßen- und Wegrändern insbesondere für Insekten und Kleintiere vor. Ihr Anteil an der Gemeindefläche ist nämlich nicht unerheblich: Etwa 3,6 Prozent, was der Fläche von 50 Fußballfeldern entspricht! In ganz Schleswig-Holstein machen die Straßen- und Wegränder sowie die Feldraine ca. 4 % der Landesfläche aus – die Naturschutzflächen hingegen nur ca. 2 %. Somit wird deutlich, dass in unserer stark landwirtschaftlich geprägten Landschaft mit großen Ackerschlägen die Säume entlang der Gemeindewege ebenso wie Knicks eine große Bedeutung für den Artenschutz haben können – wenn sie entsprechend gepflegt werden. Dann sind sie nicht nur Lebensraum für bspw. Schmetterlinge und Käfer, sondern dienen auch als Transportstrecken von einem Biotop zu einem anderen. So können z.B. Frösche und Kröten über nahegelegene Wegränder von einem sogenannten „Trittsteinbiotop“ zum nächsten wandern, also z.B. nach dem Laichen im in einer Ackerfläche gelegenem Tümpel hin zu einer Gehölzinsel oder zu einer Waldfläche. Google Maps-Auschnitte von Klempau zeigen Wegraine, Säume, Knicks und Trittsteinbiotope:
Bei den Straßen- und Wegrändern sind einige rechtliche Vorschriften zu beachten:
- Straßen- und Wegegesetz des Landes Schleswig-Holstein (StrWG), § 18 a Bepflanzungen an Straßen: Naturnahe Gestaltung, damit sie Teil des Biotopverbundsystems sei können
- Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG, § 1 (Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege) sowie § 21 Biotopverbund, Biotopvernetzung, (6): „Auf regionaler Ebene sind insbesondere in von der Landwirtschaft
geprägten Landschaften zur Vernetzung von Biotopen erforderliche lineare und punktförmige Elemente, insbesondere Hecken und Feldraine sowie Trittsteinbiotope, zu erhalten und dort, wo sie nicht in
ausreichendem Maße vorhanden sind, zu schaffen (Biotopvernetzung).“
Damit die Straßen- und Wegränder sowohl ihre verkehrstechnische Funktion als auch ihre ökologische Funktion als lineare Elemente erfüllen können, müssen sie entsprechend gepflegt werden: Der dem Weg/der Straße nächstgelegene Bereich intensiv, weiter weg hingegen extensiv. Aus ökologischer Sicht sollen die Ränder folgende Funktionen erfüllen können:
- Nahrungsquelle für Vögel und Insekten (Samen, Früchte, Pollen, Nektar)
- Rückzugsraum und Deckung (z.B. für Hasen)
- Wohnstätte und Nistplatz (vor allem für Wirbellose, z.B. Insekten, Schnecken oder Spinnen)
- Überwinterungsort: hohle Stängel und Samenstände für Käfer, Schmetterlinge, Spinnen u. a., Nahrungsquelle für Vögel
- Schutz vor Erosion (durch Wind oder Starkregen)
- Förderung der Biodiversität
- Bestandteil des Biotopverbunds
Wenn ein Wegrand gemäht wird, hat das massive Auswirkungen auf die Insektenwelt: Auf einen Schlag verschwinden das Raupenfutter, die Nektarquelle, der Paarungs-, Eiablage- Schlaf-, Aufwärm- und Verpuppungsplatz. Auch die Schnitthöhe hat eine erhebliche Auswirkung: So haben Untersuchungen ergeben, dass bei einer Schnitthöhe von 7-8 cm ganze 27 % der Amphibien (z.B. Frösche) getötet wurden, während bei 12 cm Schnitthöhe nur 5 % dieses Schicksal ereilte. Deshalb sollte die Schnitthöhe mindestens 8-10 cm betragen. Um den Insekten nicht entlang eines ganzen Wegs den Lebensraum zu nehmen, sollte zum einen räumlich differenziert werden (d.h. nicht beide Wegseiten auf einmal) und zum anderen auch in der Breite unterschiedlich gemäht werden: nur im unmittelbaren Bereich zur Straße hin intensiv (je nach Bedarf 1-3 mal jährlich) und nach außen hin extensiv (0-2 mal jährlich), auch mit Erhalt von sog. Winterbeständen – dass also die abgestorbenen Stängel den Winter über stehen bleiben dürfen. Da eine solch extensive Pflege das ordnungsliebende Auge stören kann, empfahl Herr Rudolph uns, „Unordnung“ auszuhalten und zu erklären, warum sie für die Insektenwelt so wichtig ist.
Die Pflege muss außerdem zeitlich angepasst werden, wobei der Grundsatz gilt: je magerer und trockener der Boden ist, desto später und seltener. Denn nur wenn Blütenpflanzen auch zum Blühen und zur Samenausbildung kommen können, gibt es im Wegesrand nicht nur Gräser, wie dieses Beispiel aus Siebeneichen zeigt:
Auch die verwendete Mähtechnik spielt eine Rolle: Eine vergleichende Untersuchung von einem konventionellen Schlegelmulchkopf und dem insektenschonenden Grünpflegekopf ECO 1200 plus förderte beeindruckende Unterschiede zutage: Letzterer tötet wesentlich weniger Insekten – insbesondere bei Schmetterlingen, Spinnen und Insektenlarven hat er sich als sehr schonend erwiesen.
Der Vortrag kam bei der Zuhörerschaft sehr gut an und hat viele Gedanken in Gang gesetzt, wie wir in Klempau die Pflege unserer Straßen- und Wegränder besser an die Bedürfnisse der Insekten anpassen können. Aufgrund der positiven Resonanz plant die Umwelt- und Wege-Ausschussvorsitzende Elisabeth Bartels schon einen weiteren Vortrag mit dem Referenten im kommenden Winter.